Artikel | 10/08/2019 07:47:00 | 7 min Lesezeit

Carinata: ein körnchen Hoffnung für das Klima

Die Früchte der Pflanze Brassica carinata sind zwar nicht größer als Senfkörner, bergen aber die große Hoffnung auf einen CO2-neutralen Verkehr in sich.

Brassica carinata ist eine Pflanze, die für die Biokraftstoffbranche  perfekt zu sein scheint. Die Körner der Carinata sind nicht für den menschlichen Verzehr geeignet, enthalten aber Öl, das ein guter Rohstoff für Biokraftstoffe ist. Das nicht genetisch modifizierte Schrot liefert zudem hochwertiges Protein für Viehfutter. Die vielversprechende Pflanze ist auch für die Bauern in Uruguay von Vorteil, die sie im Auftrag von UPM als Winterfrucht anbauen.

Zuverlässige Winterfrucht

Es ist Mai in Uruguay. Auf den örtlichen Feldern wurde vor ein paar Wochen die Hauptfrucht – in diesem Fall Sojabohnen – geerntet und anschließend die neue Winterfrucht Carinata gesät. Weil die Carinata im Winter außerhalb der normalen Anbausaison wächst, kann sie auf den gleichen Feldern wie die im Sommer wachsenden Nahrungspflanzen gesät werden. Die brachliegenden Felder können ohne zusätzliche Vorbereitung erneut eingesät werden.

In Uruguay werden Sojabohnenfelder in der Regel im Wechsel mit Zwischenfrucht bepflanzt, um den Boden vor Erosion zu schützen. Felder müssen den örtlichen Bestimmungen gemäß das ganze Jahr über bebaut werden. Im Winter werden jedoch nur 30 % des Ackerlandes produktiv für winterharte Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste und Raps genutzt. Auf dem Rest wächst Zwischenfrucht.

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„In Uruguay sind die Bauern verpflichtet, auch im Winter Ackerbau zu betreiben, was für sie mehr Arbeit und Kosten bedeutet. Die Carinata ist eine Alternative mit finanziellem Bonus. Der winterliche Ackerbau verhindert nicht nur Erosion, sondern ist auch eine der besten Methoden, die Kohlenstoffbindungsfähigkeit des Bodens zu erhöhen. Weil nur die Körner geerntet werden, verbleibt der Rest der Pflanze auf dem Feld. Die Biomasse verbessert die Bodenqualität und damit auch die zukünftigen Erträge und die Kohlenstoffbindungsfähigkeit. In diesem Szenario profitieren alle“, erklärt Liisa Ranta, Manager, Sustainability bei UPM Biofuels.

Besonders erfreulich für die Landwirte ist die Zuverlässigkeit der Carinata. Auch bei wechselhaften Witterungsbedingungen liefert sie einen akzeptablen Ertrag, und der Preis orientiert sich an den internationalen Märkten. Dieses stetige Zusatzeinkommen hilft Bauern bei der langfristigen Planung, Investition und Ausweitung ihrer Tätigkeit.

Effiziente CO2-Senken

Bis August gedeiht die Carinata vortrefflich. Während die Frucht reift, bindet sie immer mehr Kohlenstoff. Weil nur die Körner geerntet werden, verbleibt der Kohlenstoff, der etwa die Hälfte der Pflanzenmasse ausmacht, auf dem Feld. Ein Teil des verbleibenden Kohlenstoffs wird im Rahmen des Kohlenstoffzyklus in die Atmosphäre freigesetzt. Das außergewöhnlich lange Wurzelsystem speichert auf sehr effiziente Weise Kohlenstoff im Boden.

Die richtigen Anbaumethoden und Pflanzen verbessern nicht nur die Fähigkeit des Ackerbodens, Kohlenstoff aufzunehmen, sondern können ihn sogar CO2­negativ machen, was man als „CO2­Senke“ bezeichnet. Die von UPM mit dem Anbau von Carinata­Pflanzen betrauten Bauern verpflichten sich vertraglich, bestimmte Bedingungen und Bewirtschaftungspraktiken zu befolgen, damit der Boden mehr Kohlenstoff aufnehmen kann.

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Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 wurden alle Länder ermuntert, ihre Kohlenstoffreservoire im Boden jährlich um vier Promille zu erhöhen. Eine zusätzliche Kohlenstoffsequestrierung im Boden ist eine vielversprechende Gelegenheit, den Klimawandel durch „negative Emissionen“ einzudämmen. Berechnungen zufolge könnte ein jährlicher Anstieg des Kohlenstoffbestands im Boden um 0,4 % die negativen Auswirkungen der von Menschen erzeugten CO2­Emissionen ausgleichen.

„Wir wissen bereits, dass die Kohlenstoffbindungskapazität der Carinata bei richtiger Bewirtschaftung das in Paris genannte Ziel von vier Promille überschreiten kann. Wir arbeiten nun mit unseren Partnern an mathematischen Modellierungsmethoden, um die Wirkungen von CO2­Senken genauer zu berechnen. Kohlenstoffakkumulation und Biomasse werden beispielsweise direkt im bepflanzten Boden gemessen. Selbst ein geringer Anstieg des Kohlenstoffbestands ist eine wichtige und effektive Methode zur Reduzierung des Kohlendioxids in der Atmosphäre“, so Ranta.

Die richtige Feldfrucht

Dr. Calliope Panoutsou, Senior Research Fellow am London Imperial College, die sich im Rahmen lang­jähriger Studien mit der Brassica Carinata und ihrem Anbau, ihren Erträgen und ihren bodenverbessern­den Eigenschaften befasst hat, nähert sich uns von der anderen Seite des Carinata­Felds.

Gegenwärtig ergründet und bewertet sie bewährte Praktiken sowie die Folgen der Einführung neuartiger Biomasse­Lieferketten, darunter auch Anbauoptionen, die die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen durch Kohlenstoffbindung verbessern können.

„Die Landwirtschaft produziert Schätzungen zufolge 10 bis 15 % der weltweiten CO2­Emissionen. Damit rangiert sie nach Energieerzeugung und Transport an der dritten Stelle. Jüngste Studien bestätigen, dass es durch die Verbesserung der Kohlenstoffbindungsfähigkeit von Kulturland möglich ist, jährlich 10 bis 15 % der weltweiten CO2­Emissionen zu kompensieren. Aus diesem Grund können geeignete landwirtschaftliche Praktiken eine wichtige Rolle bei der Minderung des Klimawandels spielen“, erklärt Panoutsou.

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Die Kohlenstoffsequestrierung in Ackerböden ist nicht nur eine Klimaschutzmaßnahme. Sie kann auch dazu beitragen, die Erosion zu reduzieren und die Bodenstruktur, Bodenfeuchtigkeit und Nährstoffanreicherung zu verbessern – und all dies ist für die langfristige Ernährung der Weltbevölkerung relevant.

„Die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff aufzunehmen, kann durch einen kontinuierlichen Ackerbau, durch Fruchtwechsel oder durch die Umwandlung von Ackerland in Wald verbessert werden. Weniger Bodenbearbeitung und die Zugabe organischer Zusätze tragen zu weiteren Verbesserungen bei. Für die Erweiterung des Kohlenstoffbestands ist ferner eine abwechslungsreiche Fruchtwechselwirtschaft wichtig“, erklärt Panoutsou.

Vom Feld in den Tank

Zur Erntezeit Ende November schwirrt es auf den Carinata­Feldern wie im Bienenkorb.  Riesige Mähdre scher schieben sich langsam durch die Pflanzenreihen. Alle 10.000 Hektar der für UPM gepflanzten Carinata­Pflanzen werden mit ähnlichen Geräten wie für Raps geerntet und aufbereitet. Die Landwirte müssen also keine zusätzlichen Maschinen anschaffen. Derzeit wird das Erntegut als Rohstoff für Biokraftstoffe nach Europa verkauft. UPM verarbeitet Carinata gegenwärtig nicht selbst.

„Dass die Pflanze für die bestehen­den Produktionslinien geeignet ist, ist für uns und die Landwirte  wichtig, denn keiner von uns muss große Investitionen in Maschinen tätigen“, sagt Ranta.

Der Lohn des Anbaus der Carinata zeigt sich im Endprodukt: klima­positiver erneuerbarer Diesel, der eine entscheidende Rolle bei den Bemühungen um die Reduzierung der CO2­Emissio nen durch Verkehrs­mittel laut UN­ Klimazielen für 2030 spielt. Die EU strebt bis 2030 eine Reduzierung um 40 % an.

Wenn die Pflanze geerntet wird, ist sie fast zwei Meter hoch. Alle Pflanzen­teile mit Ausnahme der Körner bleiben auf dem Feld. Die Blätter und Stängel zersetzen sich langsam und reichern dadurch den Boden für die nächste Feldfrucht an.

Irgendwo in Europa hält ein Auto an einer Tankstelle an. Der Fahrer kann sicher sein, dass der in den Tank fließende Kraftstoff eine verantwor­tungsvolle Wahl ist, weil er aus erneu­erbaren, klimafreundlichen Carinata­Körnern erzeugt wurde. Und mögli­cherweise stammen sie aus Uruguay von Bauern, die im Auftrag von UPM arbeiten.

Und so geht die Reise weiter – ohne fossile Brennstoffe.

 

Text: Saara Töyssy

Fotos: Andrés Bartet; Mit freundlicher Genehmigung der Interviewpartner

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