Artikel | 12/11/2019 11:04:44 | 8 min Lesezeit

Wälder im Fokus

EU-Forstbeamte besuchten Finnland, um über die Zukunft der europäischen Wälder zu diskutieren und etwas über den skandinavischen Ansatz für nachhaltige Forstwirtschaft und forstbasierte Bioökonomie zu erfahren.

Angesichts der großen Herausforderungen, denen wir auf der ganzen Welt gegenüberstehen, ist der Wald heute wichtiger denn je. Von erneuerbaren Biomaterialien bis zur Abmilderung des Klimawandels: unsere Wälder bieten Lösungen für viele Probleme, und die Erwartungen an das, was sie leisten können, sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Auch weltweit machen die Wälder Schlagzeilen, wie die Waldbrände im Amazonasgebiet zu Anfang dieses Herbstes zeigten.

Europäische Forstbeamte sehen die verstärkte Aufmerksamkeit positiv. Sie ist ein Beleg dafür, dass die Menschen nun erkennen, welche wichtige Rolle der Wald für das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft spielt.

„Fachleute wissen natürlich, dass die Wälder vielfältige Funktionen erfüllen und Holzprodukte Lösungen für viele Probleme bieten. Wir müssen uns jedoch stärker dafür einsetzen, auch Menschen außerhalb unserer Branche auf diese Möglichkeiten und Lösungen aufmerksam zu machen“, sagt Aljoscha Requardt, politischer Berater beim deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Requardt und andere leitende Forstbeamte aus EU-Mitgliedsländern besuchten Finnland im September im Rahmen eines informellen Treffens der EU-Forstgeneraldirektoren. Auch wenn die EU keine gemeinsame Forstpolitik hat, bietet dieses Treffen, das einmal im Verlauf einer jeden EU-Präsidentschaft stattfindet, eine Plattform zum Informationsaustausch über nationale und europäische Forstfragen.

Was soll in Zukunft angepflanzt werden?

Je nach EU-Land kommt dem Wald eine unterschiedliche Bedeutung zu:  manche Länder haben nur kleine Waldflächen, während in anderen Ländern der Wert des Waldes kulturell und historisch tief verwurzelt ist. Zwei wichtige Themen, die quasi überall diskutiert werden, sind Klimawandel und Bioökonomie.

„Die Bedeutung des Waldes für die Abmilderung des Klimawandels und die Notwendigkeit, ihn an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anzupassen, sind die Ausgangsbasis für sämtliche Handlungsansätze“, so Nuno Sequeira, Vorstandsmitglied des portugiesischen Instituts für Naturschutz und Wald.

Wälder und Holz nehmen Kohlendioxid (CO2) auf und speichern es. CO2 ist als Treibhausgas eine der wichtigsten Ursachen für die globale Erwärmung. Die Wälder müssen widerstandsfähig genug sein, um weiterhin wichtige Öksosystemdienstleistungen – wie Erosionsschutz, Regulation des Wasserhaushalts und biologische Vielfalt – erbringen zu können und sowohl wirtschaftliche Ressourcen als auch weitere Möglichkeiten für die Gesellschaft zu generieren. 

Dieser Punkt war vor allem in Deutschland ein Thema, wo die ungewöhnlich trockenen und heißen Sommer der vergangenen Jahre die Bäume anfällig für Borkenkäferbefall gemacht haben. Es wurden rund 120.000 Hektar Wald zerstört, eine Katastrophe, die mit dem Waldsterben durch den sauren Regen in den 1980er Jahren vergleichbar ist.

„Da dieses Mal die Probleme wahrscheinlich auf den Klimawandel zurückzuführen sind, ist es schwieriger, Lösungen und Antworten zu finden“, sagt Requardt. „Es war nicht hilfreich, dass in der Berichterstattung die Themen durcheinandergeworfen wurden und die Waldbrände im Amazonasgebiet mit der Situation in Deutschland verglichen wurden. Jetzt müssen wir vor allem untersuchen, welche Baumarten wir in Zukunft anpflanzen sollen.“

Abgesehen von wirtschaftlichen Verlusten könnten die schlimmen Waldschäden möglicherweise die Anstrengungen Deutschlands zur Erreichung seiner Klimaziele beeinträchtigen. Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist mit Wäldern bedeckt, die zusammen 14 % der CO2-Emissionen des Landes ausgleichen.

Für Fanny-Pomme Langue, Generalsekretärin des Zentralverbands der Europäischen Waldbesitzer (Confederation of European Forest Owners, CEPF), liegt der Schlüssel dazu, dass der Wald unterschiedliche gesellschaftliche Erwartungen erfüllen kann, vor allem, was die Abmilderung des Klimawandels betrifft, in einer nachhaltigen Forstwirtschaft, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt. Der CEPF vertritt die Landesverbände privater Waldbesitzer in der EU. Die Privatwälder werden von 16 Millionen Waldbesitzern bewirtschaftet und machen 60 % der Waldflächen der EU aus.

„Ich glaube, dass die Wälder den von ihnen erwarteten Nutzen durchaus bieten können, was zum Beispiel Kohlenstoffsequestrierung und -speicherung oder die Erhaltung der Artenvielfalt betrifft.  Dafür sorgen die Waldbesitzer durch eine nachhaltige und multifunktionale Forstwirtschaft“, so Langue.

„Wenn wir wollen, dass der Wald eine wichtige Rolle bei der Abmilderung des Klimawandels übernimmt, müssen wir die Rolle der Waldbesitzer würdigen und sie dabei unterstützen, ihre Wälder gut zu bewirtschaften und sie widerstandsfähiger für die Zukunft zu machen“, fügt sie hinzu. 

Bioökonomischer Wandel

Angesichts der derzeitigen Herausforderungen durch Urbanisierung, globales Bevölkerungswachstum und Klimawandel gibt es viele Möglichkeiten, wie wir die Wälder auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft nutzen können. Nachwachsende holzbasierte Rohstoffe aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern oder Nebenströmen der industriellen Produktion können fossile Brennstoffe und andere kohlenstoffintensive Materialien in vielen Produkten und Anwendungen ersetzen, z. B. auf dem Gebiet von Kraftstoffen für den Straßenverkehr, Kunststoffen, Textilien und in der Bauindustrie.

Während ihres Aufenthalts in Finnland besuchten die EU-Forstbeamten UPM und das VTT Technical Research Center, um mehr über die Forschung und neue Anwendungen auf diesem Gebiet zu erfahren. Sie waren auch dabei, als Setzlinge gepflanzt wurden.

„Es war sehr interessant, welche Bioprodukte gerade entwickelt werden und welche schon auf den Markt gebracht wurden.  Wir müssen intensiv über die Zukunft nachdenken, denn die Menschen verlangen wirklich neue Produkte. Die Dekarbonisierung ist ein wichtiger Veränderungstreiber“, so Sequeira.

Finnland ist nicht nur ein Vorreiter in Sachen Bioökonomie, sondern auch führend bei der Entwicklung verantwortungsvoller und effizienter forstwirtschaftlicher Praktiken. Diese bestehen darin, Wälder länger wachsen zu lassen und dadurch Waldbrände und -schäden zu vermeiden. Trotz der zunehmenden Nutzung von Holzressourcen sind die finnischen Waldreserven heute größer denn je.

„Neue Investitionen haben die Forstwirtschaft in den letzten Jahren neu belebt. Unsere Wälder sind große CO2-Senken, und wir ernten weniger Holz als wir anbauen. Darüber hinaus haben Wälder einen immateriellen Wert. Die Finnen gehen gern in den Wald, um zu wandern, Beeren zu pflücken, Pilze zu sammeln und zu jagen – alles Aktivitäten, die die physische und psychische Gesundheit fördern“, erklärt Juha Niemelä, Generaldirektor der Abteilung für natürliche Ressourcen im finnischen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft.

Politischer Druck

Die EU hat 2013 eine Forststrategie entwickelt, um eine koordinierte Reaktion auf Forstthemen sicherzustellen. Das Ziel: die Förderung einer nachhaltigen Forstwirtschaft in den Mitgliedsstaaten und auf der ganzen Welt. Während seiner Präsidentschaft hat Finnland nun mit der Entwicklung einer neuen Strategie begonnen, welche die bis 2020 gültige ablösen soll.

„Über die Forstpolitik wird auf nationaler Ebene entschieden. Dennoch ist die Branche auch von anderen Bereichen der europaweiten Gesetzgebung betroffen, wie etwa der Klima-, Energie- und Finanzpolitik der EU. Wir müssen sorgfältig untersuchen, ob ein Strategiepapier ein wirksames Instrument ist, um auf diese neue Situation zu reagieren“, so Niemelä.

Es bleibt zwar abzuwarten, wie weit diese strategische Arbeit bis zum Treffen der EU-Forstbeamten im nächsten Jahr in Kroatien gediehen sein wird, doch eines ist sicher: der Wald wird weiterhin im Rampenlicht stehen.

 

Text: Janne Suokas
Fotos: UPM; Janne Lehtinen

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